Skip to main content

Zur Person

Herwig Schubert, 1926 in Salzburg geboren, verbrachte seine ersten Lebensjahre im Haus der Familie am Universitätsplatz. Die Barockstadt mit ihren engen Gassen, Durchgängen, den weiten Plätzen, Kirchen, die nahe Salzach, umgeben von ländlicher Idylle und alpiner Wucht prägten seine frühe Kindheit. Anfang der 1930er Jahre zog die Familie nach Darmstadt, wo der Vater, Chemiker, eine leitende Stelle bei der Pharmafirma Merck übernahm.

Schon als Kind und Jugendlicher zeigte Schubert eine ausgeprägte Leidenschaft fürs Zeichnen und Malen, und ebenso ausgeprägt war sein Bedürfnis nach Bewegung in der Natur. Als Gymnasiast liebte er Outdoor-Sport. Mit Schulkameraden unternahm er Radtouren, Paddeltouren im Faltboot und mit der Familie Bergtouren in den österreichischen Alpen – immer die Malutensilien im Rucksack. Er lernte Reiten, zog sich jedoch zusehends zurück, je massiver der nationalsozialistische Druck wurde.

Nach dem Abitur studierte er ein Semester Architektur, ehe er 1944 mit 18 Jahren als Meldereiter zum Kriegsdienst eingezogen wurde. Mitten im Kriegsgeschehen fand er Nischen für Bleistiftskizzen von Orten, wo er sich befand. Auch von seinem Pferd, vom Kriegsende bei Tangermünde und von seiner Gefangenschaft sind Skizzen erhalten. Nach der Freilassung studierte Schubert ein weiteres Semester Architektur an der Technischen Hochschule in Darmstadt, wo er „Assistent im Freihandzeichnen“ von Professor Hermann Geibel wurde.

Mit Wiedereröffnung der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart zum Sommersemester 1946 konnte Schubert schließlich sein Studium der Malerei beginnen. Seine Lehrer waren u. a. Rudolf Yelin und Hermann Sohn, der in den Semesterberichten seinen Schüler Schubert als „selbständig, eigenwillig und sehr begabt“ beschrieb. Kunstreisen durch Frankreich, Italien, Griechenland und einsame Expeditionen zu Fuß durch nordische Länder entsprachen seinem Drang, eigene Wege zu gehen, im Leben wie auch in seinem künstlerischen Schaffen.

Nach seinem Studium richtete Schubert ein eigenes Atelier auf der Uhlandshöhe in Stuttgart ein. Dort widmete er sich seiner Kunst und vertiefte sich in Geschichte, Literatur, Musik. Bereits im Studium, war ihm klar, dass er nur gegenständlich arbeiten konnte und wollte. Die Natur und der Mensch standen im Mittelpunkt seines Interesses und blieben lebenslang seine zentralen Themen. Er stehe, so sagte Schubert, der Barocktradition seiner Heimat näher als der abstrakten Kunst der Nachkriegszeit. Ausschlaggebend ist auch die ihm eigene scharfsinnige Beobachtungsgabe seiner Umgebung. Seine frühe Erfahrung mit Machtstrukturen, Massenbewegungen und Gewalt als Schüler und Soldat förderte seine kritische Distanz zu Menschen und vertiefte gleichzeitig seine intensive Verbindung zur Natur, als deren Teil er sich betrachtete. So entstand im Atelier eine gegenständliche Kunst, die sich durch eine intensive Auseinandersetzung mit Naturdarstellungen und der Frage nach der menschlichen Existenz auszeichnet.

Im Jahr 1958 folgte Schubert einer Einladung der Akademie für angewandte Kunst in Istanbul, wo er vier Jahre lang die Malklasse unterrichtete. Ehemalige Schüler, später Professoren an der Akademie, hielten lebenslangen Kontakt zu Schubert.

Nach seiner Rückkehr in sein Stuttgarter Atelier erhielt Schubert verschiedene Aufträge im Bereich „Kunst am Bau“, darunter das Mosaik im Rathaus Stuttgart und das Eingangsportal der St. Vinzenz-Pallotti-Kirche in Birkach. Illustrationsaufträge folgten vom Rupertusblatt (Wochenzeitung der Erzdiözese Salzburg), vom Ueberreuter Verlag und weiteren namhaften Verlagen wie Herder Verlag oder Hoch Verlag, die seinen Unterhalt sicherten und ihm als Zeichner handlungsstarker und energiegeladener Szenen zusagten.

Neben den Illustrationen entwickelte Schubert sein eigenes zeichnerisches Werk in Tusche und Mischtechnik. Er malte großformatige Bilder in Öl, die stilistische Anklänge an den abstrakten Expressionismus zeigen. Die Themen sind arktische Landschaften, weibliche Figuren, Pferde, Kampfszenen. Diese teils monumentalen Ölgemälde verließen selten oder nie das Atelier, da Schubert Bedenken hatte, sie würden weder verstanden noch akzeptiert werden, da sie nicht in die Zeit passten.

Seine Konzentration auf figuratives Schaffen brachte ihm von 1973 – 1974 die Vertretung von Alfred Hrdlicka ein, Professor für Bildhauerei an der Staatlichen Akademie für Bildende Künste Stuttgart, sowie den nachfolgenden Lehrauftrag für Aktzeichnen, das sich unter seiner Hand schnell zur figurativen Malerei entwickelte. 1979 wurde Schubert zum Professor berufen. Er war jahrelang Mitglied des Senats der Akademie, pflegte kollegialen Umgang und unterrichtete mit großem Engagement seine Studenten.

Einzelausstellungen erfolgten im süddeutschen Raum und in Österreich, wo er insbesondere von dem renommierten Kunsthistoriker Otto Breicha große Wertschätzung erfuhr. Schubert blieb ein Einzelgänger, der sich weder von Strömungen noch von Meinungen beeinflussen ließ und sich wenig um seine Präsenz auf dem Kunstmarkt bemühte. Wer ihn kannte, schätzte ihn als aufmerksamen Gesprächspartner, als diskrete Persönlichkeit. Seine Schüler erfuhren sein stringentes Denken und Handeln, seine Vitalität sowie sein sensibles Eingehen auf individuelle Begabungen. Seine tiefe Liebe zur ungezähmten Natur, seine Auseinandersetzung mit dem fortwährenden und komplizierten existenziellen Drama Mensch – Natur fand Ausdruck in seinem Werk.

Bis ins hohe Alter zog es ihn alljährlich in die Unwegsamkeit und Einsamkeit arktischer Länder, auf Flüsse in der kanadischen Wildnis und aufs Meer, wo er die Erhabenheit der Natur, persönliche Grenzerfahrungen und Freiheit fand. Diese Expeditionen ins Offene, Unbekannte waren ihm in der Malerei wie im Leben Abenteuer und Heimat zugleich.

Am Abend nach dem Besuch der herausragenden Kokoschka-Retrospektive im Kunsthaus Zürich im Februar 2019 äußerte Schubert noch im Gespräch „… die Malerei ist mir Heimat.“ Und die Malerei blieb bis zu seinem Tod auch sein „letztes Abenteuer“.

Am frühen Morgen vor der Heimfahrt in sein Atelier am Buchenberg, wo er sich wieder seinem Landschaftszyklus „Bilder von der See“ widmen wollte, starb Schubert im Alter von 92 Jahren an Herzversagen.